Wässerwiesen Oberer Grund Reichelsdorf

Klein aber fein
Sehenswert ist der Blick ins Tal über die Wässerwiesen „Oberer Grund Reichelsdorf“, der auch daran erinnern soll, dass hier die ursprünglich geplante B2/A77 vorbeiführen sollte.




Die Wiesenflächen unterhalb des vor Ihnen liegenden Abhangs bis zur Rednitz im Hintergrund weisen eine Gesamtfläche von ca. 21 Hektar auf. Von dieser Fläche werden jedoch nur ca. 19 Hektar von dem seit vielen Jahrzehnten bestehenden Bewässe­rungs­system erreicht, welches in trockenen Sommern mit dem Wasser der Rednitz versorgt wird.

Bis zu Beginn des 20.Jahrhunderts wurde dazu das Wasser mit einem Wasser­schöpfrad aus dem tiefer liegenden Flussbett hervorgehoben und in das verzweigte Grabensystem eingespeist. Nachdem dieses jedoch baufällig wurde und die fortentwickelte Industriali­sierung moderne elektrische Pumpen anbot, installierte die erst 1903 gegründete Wässer­gemeinschaft „Im Oberen Grund Reichelsdorf“ eine solche Pumpe im Jahr 1920, die bis heute ihre treuen Dienste versieht.

Anfangs waren es noch acht bis neun Landwirte, die diese bewässerten Wiesen bewirtschafteten, heute teilen sich diese Arbeit jedoch nur noch fünf Land­wirte. Wenn in den Sommermo­naten der normale Nie­der­schlag die­ser Re­gion nicht mehr ausreicht, die tief­grün­digen Sandbö­den des Red­nitz­tals der­art zu be­feuch­ten, damit eine aus­reichende Gras­produktion ge­währleis­tet wird (Abb. 1), wird Was­ser mit dieser Pumpe aus der Rednitz gepumpt und über das Grabensystem mit seinen Schüt­zen (hölzerne Riegel zum Ver­schlie­ßen bzw. Öffnen einzel­ner Gräben) gleichmäßig über die Flä­che verteilt. Diese verantwortungs­vol­le Aufgabe übernimmt seit Bestehen der Wässer­gemeinschaft ein von der Ge­mein­schaft bestellter Wässerer. Wäh­rend der Wäs­serungstage wacht er über die Pumpe und ihr reibungs­loses Funk­tionieren und öffnet und schließt – bei Tag und bei Nacht – die Schütze, um eine gleichmäßige Be­feuch­tung aller Wiesenteile zu garan­tieren (Abb. 2). Auf diesem Wege können die Land­wirte bis zu fünf Grasernten im Jahr erzie­len, wo in anderen Bereichen oh­ne solch eine Bewäs­serungsmög­lich­keit mö­glicher­wei­se nur ein bis zwei Ernten einge­fah­ren werden können.

Während der Wässerungszeiten wie auch während der Gras- bzw. Heu­ernte finden sich schnell Störche ein, um die dabei leicht zu erhaschende Beute an Heu­schrecken, Mäusen, Regenwürmern u.a.m. zu nutzen. Diese Wiesen mit ihrer Bewässerung sind für die heimi­schen Störche ein wichtiger Lebens- und Überlebensraum (Abb. 3 & 4). Und für die städtische Bevölkerung sind sie eine wich­tige grüne Lunge und ein Nah­er­holungsraum, der vor allem auch von Hunde­haltern häufig frequentiert wird, nicht immer zur Freude der Landwirte, wenn sich die Besu­cher nicht an die bestehenden Wege und Pfade halten.

Als in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Verläng­e­rung des Frankenschnellwegs über die sogenannte A77 bzw. später B2A geplant wurde, wäre ohne massive Intervention der Bevölkerung sowohl der hier liegende Sandmager­rasen als auch die unter Ihnen liegende Wässerwiese durch ein montröses Brücken­bau­werk (Abb. 5) vernich­tet worden.

Pumpenhaus der Wässerwiesen „Oberer Grund Reichelsdorf“

Jedes Frühjahr: Springt sie an?

Die letzte elektrische Pumpe (von 1920) bewässert heute noch die Wiesen der Wässergemeinschaft „Im Oberen Grund Reichelsdorf“ – ein echtes Stück Wässerwiesenkultur.

Im Jahre 1903 wurde die Wässergemeinschaft „Im Oberen Grund Reichelsdorf“ von sieben Bauern gegründet, die Anteil an diesem Wiesengrund oberhalb des Reichelsdorfer Schlos­ses besaßen. Schon zu dieser Zeit wurden diese Wiesen über ein ausgedehn­tes Grabensystem während der trockenen Som­mermonaten be­wässert, denn die metertiefen Sandböden kön­nen nicht lange das Regenwasser speichern. Das Wasser musste jedoch über ein Wasserschöpfrad aus der tiefer liegen­den Rednitz heraufge­ho­ben werden. Dieses hölzerne Wasser­schöpfrad lag ca. 50 m weiter flussauf von diesem Standort und musste jedes Frühjahr auf- und im Herbst wieder abgebaut werden, um es vor den win­terlichen Hochwassern und der Verrottung zu schützen.

Im Jahr 1920 entschied sich jedoch die Wässergemeinschaft, auf die modernere elektrische Pumptechnik umzurüsten. Dabei war man sich jedoch noch nicht der hohen Kos­ten für die Energie gewahr, die bis heute einen erheblichen Wirtschaftsfaktor für die Landwirte in der Bewässerung ihrer Wiesen darstellen. Nicht nur aus diesem Grund wird die Be­wässerung der Wie­sen genau überwacht und bei Betrieb fein reguliert, um das kostbare Naß optimal aus­zunutzen. Diese verantwortungsvolle Aufgabe übernimmt der Wässerer der Ge­meinschaft, der während der Wässerzeiten oft Tag und Nacht das verzweigte Grabensystem mit seinen Schüt­zen (Wassersper­ren) überwacht und die Was­ser­menge für jeden Wiesen­ab­schnitt genau reguliert.

Im Frühjahr ruft der Vorsitzen­de der Gemeinschaft alle betei­ligten Landwirte zusammen, um das Grabensystem und die Schütze zu reinigen oder in­stand zu setzen. Das sehen die Mitglieder nicht nur als Arbeitseinsatz, sondern auch als willkommene Gelegenheit, sich wieder einmal unterein­ander auszutauschen. Viele bringen auch den Nachwuchs mit, der damit frühzeitig an die­se tra­ditio­nelle Wiesenbewirtschaftung he­ran­geführt wird und die­se ge­meinschaftliche Bewirtschaftung kennen lernt.

Die alte Pumpe von 1920 tut bis heute ihre treuen Dienste, auch wenn jedes Frühjahr, wenn der Wässerer sie zum ersten Mal im Jahr in Betrieb setzt, die Wäs­ser­gemeinschaft bibbert, ob sie nach über 40 Jahren immer noch funktionieren wird. Eine Re­pa­ratur wäre wohl aus techni­schen wie wirtschaftlichen Grün­den ausgeschlossen und so könn­te sich dann die grundsätz­liche Frage stellen, ob der Wäs­serbetrieb auf diesen Wiesen noch aufrecht erhalten werden könnte. So bleibt bis jetzt nur liebevolle Pflege der Maschine und das Vertrauen auf gute alte Wertarbeit.

Zugang:

Zugangsbeschreibung derzeit nicht vorhanden.

Mit zu dieser Perle gehört auch das nahe dem Rednitzufer gelegene Pumpenhaus (Siehe oben). Dort hängt auch eine Tafel, die näheres zur Geschichte dieser Pumpe erzählt.

Nahe dem Pumpenhaus, dem Fahrweg nach Süden folgend, trifft man auf Tafeln des LPV Nürnberg mit Informationen zu Fauna und Flora des Rednitztals.

Am südlichen Ende des Sandmagerrasens befindet sich am Steinhauserweg eine Tafel der Agenda21 zum Grünzug Reichelsdorf.